Natur- und Geisteswissenschaftler

Kurt Wuchterl

1931

„Will man die Logik selbst axiomatisieren, so steckt in dieser `naiven Axiomatik` ein Zirkelschluss, insofern die Schlüsse, innerhalb der Umgangssprache, mit eben dieser Logik vorgenommen werden, also Logik als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Dieser Zirkel kann vermieden werden, wenn man die Logik kalkülisiert. Bei der Kalkülisierung werden auch alle Regeln angegeben nach denen geschlossen werden darf…Wir können von den Inhalten völlig abstrahieren und unser gesamtes Handeln als Operation mit gewissen Gegenständlichkeiten auffassen, genau wie etwa beim Stricken oder beim Mauern. Diese Abstraktion nennt man Kalkülisierung. Die Theorie selbst erscheint als „Kalkül“. Abgesehen von der praktischen Bedeutung der Kalküle für Grundlagenuntersuchungen haben Kalküle für einige Logiker auch eine grundsätzliche Bedeutung. Sie behaupten, dass erst solche Kalküle keine Logik mehr voraussetzen“

[31] Kurt Wuchterl, Adelfinger Mathematik, Kursheft, Logik Kalküle (1976) S. 44

„Wenn man den Wert einer Größe eines physikalischen Systems mit Sicherheit vorhersagen kann, ohne das physikalische System in irgendeiner Weise zu stören, so muss man annehmen, dass diese Größe einem Element der Realität entspricht.“

[148] Kurt Wuchterl, Streitgespräche und Kontroversen in der Philosophie des 20. Jahrhundert Haupt Verlag (1997) S.103

„dass die Konstruktionen dieser Viele-Welten-Theorie große Zumutungen an unser Vorstellungsvermögen enthalten.“

[70] Kurt Wuchterl, Streitgespräche und Kontroversen in der Philosophie des 20. Jahrhundert, Haupt Verlag (1997) S.106

„Kreisel bezeichnet diese `Doktrin formaler Präzision` deshalb einen `Impotenzkult`; denn dieser behauptet, grundlagentheoretische Probleme seien nicht lösbar.“

[97] zitiert aus Kurt Wuchterl, Adelfinger Mathematik, Kursheft Grundlagen der Mathematik Der mathematische Grundlagenstreit, Herder (1976) S. 96 (G. Kreisel, J. L. Krivine: Modelltheorie Berlin 1972)

„Mathematische Aussagen zeichnen sich vor anderen Behauptungen dadurch aus, dass sie bewiesen werden können. `Beweisen` ist hier in einem ganz spezifischen Sinne gemeint. Umgangssprachlich `beweist` Hans seinem Freund, dass er ein neues Fahrrad bekommen hat, indem er das Fahrrad zeigt. Der Detektiv `beweist` den Diebstahl, indem er das gestohlene Objekt aus der Tasche des Diebes holt. Hier sind die Gegenstände, über welche Behauptungen aufgestellt werden, unmittelbar verführbar. Wenn dagegen der Mathematiklehrer den Satz des Pythagoras beweist, dann besinnt er sich auf die mathematischen Sätze und Definitionen, die dem Schüler bekannt sind oder bekannt sein müssten, und folgert mit Hilfe des gesunden Menschenverstandes den bis dahin noch unbekannten oder nur als wahr vermuteten Satz aus eben diesen Prämissen. Ein kritischer Frager, der Klarheit über die Grundlagen der Mathematik gewinnen will, erwartet nun – sofern es sich nicht um Definitionen handelt – auch einen Beweis der benötigten Prämissen; und einen Beweis der Prämissen der Prämissen usw. So gelangt man zwangsläufig zu einem Anfang zu ersten Prämissen, von denen keine Beweise mehr verlangt werden. Man nennt sie Axiome oder wissenschaftliche Grundsätze. Die Behauptung, dass der Satz des Pythagoras gilt, ist nach dieser Auffassung dann gerechtfertigt, wenn eine Beweiskette, die von den Axiomen und gewissen zusätzlichen Definitionen ausgeht, beim Satz des Pythagoras endet. Schon bei Aristoteles (384-322 v.Chr.) findet man die These, dass eine wissenschaftliche Rechtfertigung von gewissen Grundsätzen oder Axiomen ausgeht, sollte, aus denen dann die Sätze der jeweiligen wissenschaftlichen Theorie logisch gefolgert werden müssen.“

[146] Kurt Wuchterl, Adelfinger Mathematik, Kursheft Grundlagen der Mathematik (1976)Herder Verlag, S. 9

„Albert Einstein verdeutlicht die Schwierigkeiten des Begründungs-Denkens im `Münchhausen – Trilemma`. Danach führen alle Begründungsversuche zu drei Alternativen:
• zu einem infiniten Regress oder
• zu einem logischen Zirkel oder
• zu einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt.
Da die ersten beiden Möglichkeiten keine eigentliche Erklärung liefern, bleibt nur das dogmatische Abbrechen an einer bestimmten Stelle, die angeblich durch Evidenzen bestimmt werden kann. Aber diese Berufung auf Evidenz bedeutet eine `willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung. `Sie ist letztlich ein `Rekurs auf ein Dogma. …in jedem Fall handelt es sich um einen Versuch, die philosophische Aussage kritikimmun zu machen. Phänomenologische Methoden sind daher systematisierte `Immunisierungsstrategien`. Wer sich auf eine letzte Evidenz beruft, die gegenüber dem Gesprächspartner nicht als solche ausgewiesen werden kann, eben weil sie nur angeschaut, also innerlich bleibt, der entzieht sich der Kritikmöglichkeit und damit der philosophischen Glaubwürdigkeit.“

[147] Kurt Wuchterl, Methoden der Gegenwartsphilosophie, Uni-Taschenbücher 646, Haupt Verlag (1987) S. 220 (von mir gesperrt gedruckt)

„In unserer Darstellung des Grundlagenstreites traten immer wieder Aussagen über die Existenzweise des Mathematischen auf oder – wie man in der Tradition zu sagen pflegt – über das Wesen des Mathematischen, über das, was mathematische Objekte von anderen Objekten unterscheidet und sie zum spezifisch Mathematischen macht. Die philosophische Frage nach dem „Wesen“ ist die Kernfrage der Metaphysik. Wer die Einstellung der meisten Mathematiker und Naturwissenschaftler zur Metaphysik kennt, wird erstaunt sein, im Grundlagenstreit eigentlich einen metaphysischen Streit, oder, spezieller einen Streit innerhalb der Ontologie der „Lehre“ vom Seienden als solchen (Aristoteles) zu entdecken….
Die uralte Auffassung von der Metaphysik als Lehre von den letzten Gründen und von den Wesenbestimmungen des Seienden (hier des Mathematischen) scheint also auch heute noch aktuell zu sein. Vielleicht ist der Hinweis tröstlich, dass nicht nur zahlreiche bedeutende Philosophen sich mit der Mathematik befassten (z.B. Platon, Descartes, Leibniz, Kant, Wittgenstein), sondern auch umgekehrt viele große Mathematiker der Vergangenheit diesen Fragen mehr oder weniger intensiv nachgegangen sind. Interessanterweise hat sich die Einstellung zur Metaphysik bei vielen Wissenschaftstheoretikern in den letzten Jahrzehnten geändert. Zielten frühere Untersuchungen häufig auf den Nachweis von der Unsinnigkeit aller metaphysischen Sätze, so sind diesbezügliche Äußerungen heute toleranter. Man hat inzwischen erkannt, dass auch naturwissenschaftliche Theorien zahlreiche theoretische und damit spekulative Elemente enthalten, wodurch eine Abgrenzung von der Metaphysik schwierig, wenn nicht unmöglich wird.“

[151] Kurt Wuchterl, Adelfinger Mathematik, Kursheft Grundlagen der Mathematik (1976) S. 98

Kurt Wuchterl